Spielphilosopien

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Spielphilosopien

Beitragvon John » Mi 10. Okt 2018, 07:55

Immer wieder hört man dieses Play to lose, to struggle usw. Die wenigsten (auch bei vielen Orgas) Wissen was gemeint ist. Deshalb mal alle Begriffe erklärt, gemopst aus einen Teilzeitheldenartikel.

Play to win/Play to succeed
Play to win hat inzwischen oft einen negativen Beigeschmack. Zu Unrecht, geht es hier doch um einen völlig legitimen gamistischen Ansatz des Spiels. Fokus dabei ist, mit einem Erfolgserlebnis aus dem Spiel oder der Szene zu gehen. Konflikte zu verlieren bereitet den Spielenden in der Regel weniger Spaß, als sie erfolgreich zu verlassen. Viele LARPs verfolgen dies als Teil ihres Spielkonzeptes. So wird auch der Plot in der Regel so geschrieben, dass die Teilnehmenden mit einem Erfolg das Spiel beenden. Vermutlich wäre daher Play to succeed ein neutralerer Begriff, der dem gamistischen Ansatz gerechter werden könnte.

Play to lose
Dies ist vermutlich der bekannteste Begriff und entstammt der Szene des Nordic LARP. Fokus des Spiels ist es, innere oder äußere Konflikte möglichst dramatisch zu verlieren. Dafür machen Spielende bewusst Fehler, um Angriffsfläche zu bieten. Es besteht hier natürlich die Gefahr, dass Verlieren zum Selbstzweck wird, was nicht unbedingt die Immersion fördert. Das ist aber nicht das Ziel von Play to lose. Die Niederlage soll in sich schlüssig sein und nicht krampfhaft, im Sinne von unglaubwürdig, erzwungen sein. Unter anderem, soll dieser Ansatz zu einer Entspannung im Spiel führen. Rechnet man fest eine Niederlage für Konflikte ein, soll man unverkrampfter an diese herangehen.

Play to struggle
Kern des Play to Struggle ist der innere und äußere Konflikt. Der Charakter hat einen oder in den meisten Fällen sogar mehrere Konflikte, die ihn antreiben und Spiel generieren sollen. Spielende gehen in jede Auseinandersetzung mit dem Wissen, aber nicht dem absoluten Ziel, diese verlieren zu können. Ziel ist es, ebenfalls möglichst viele Spielende an den Konflikten teilhaben zu lassen. Geprägt wurde der Begriff in Deutschland durch das Spieldesign des Broken Crown. Auch hier gilt der Ansatz wie bei Play to lose. Das Bewusstsein um eventuelle Niederlagen, kann Szenen entspannen.

Play for drama
Fokus des Spiels ist eine möglichst dramatische Entwicklung des Charakters und von Szenen. Dafür machen Spielende auch bewusst Fehler. Spielende gehen in jeden Konflikt mit dem Wissen, aber nicht dem absoluten Ziel, ihn verlieren zu können. Ziel ist es weiterhin, für dramatische Szenen eine möglichst große „Bühne“ zu haben, um viele Spieler einzubinden. Spielende versuchen das Maximale aus einer Szene herauszuholen und lösen Konflikte eher offen und dramatisch als in der Hinterkammer. Eine umfangreichere Beschreibung auf Deutsch findet sich im Game Design des Tales Inside unter dem Punkt Game Design.

Play to flow
Fokus ist eine maximale Immersion in den Charakter. Das Ziel ist es, aus Sicht des Charakters logisch zu handeln. Spielszenen werden, positiv und negativ, so gestaltet, dass Anspielmöglichkeiten für andere Spieler geschaffen werden. Diese Szenen müssen dabei nicht zwangsläufig im Fokus vieler Spieler sein. Ebenso versuchen Spielende, möglichst viele Angebote der anderen Teilnehmenden anzunehmen. Dieser Ansatz wird häufig im sogenannten Mediterranean LARP gespielt. Eine gute Erklärung dazu stammt von Not Only Larp.

Play to lift
Play to lift ist eine Weiterentwicklung des Play to lose. Fokus des Spiels ist es, andere Spieler anzuheben und dabei auch eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. Auf kleine und große Siege in Szenen müssen sich Spielende nicht konzentrieren, da dies ihre Mitspieler für sie tun, so wie sie sich auf deren Siege fokussieren. Dies bedeutet, dass Spielende einen Fokus auf kleine und große Niederlagen legen können, die anderen Teilnehmenden unmittelbar zu einem Erfolg in einer Szene verhelfen.

Play to audit
Die Spielenden dieses Ansatzes sind lieber passive als aktive Teilnehmer. Ihr Fokus liegt darauf, vor allem andere bei ihrem Spiel zu beobachten und Teil einzelner Szenen zu sein. Im Mittelpunkt des Geschehens möchten sie selten oder nie sein. Das Ergebnis einer Szene ist im Grunde egal, wichtiger ist es, dabei keine zu tragende Rolle zu spielen.

Bis auf das letzte Beispiel eignen sich diese Definitionen auch als Bestandteil einer Con-Ausschreibung. So kann eine Orga recht klar verdeutlichen, welchen Spielansatz sie sich von den Teilnehmenden wünscht. Eben jene können sich durch eine klare Kommunikation im Vorfeld viel besser auf das Gamedesign einstellen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Erwartungshaltungen können viel besser erfüllt werden.
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Re: Spielphilosopien

Beitragvon Katja - Berlin » Mi 10. Okt 2018, 21:03

Ach das fand ich schön, es mal so komprimiert nachlesen zu können. Danke John
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Re: Spielphilosopien

Beitragvon Tommy » Sa 4. Dez 2021, 18:04

Ich denke, ich wünsche mir für meine Veranstaltungen vor allem "play to flow".
Im übrigen bin ich dafür, daß die Reisezeit zu den Cons verkürzt werden muß.
Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. - Johann Christoph Friedrich von Schiller, (1759 - 1805), deutscher Dichter und Dramatiker
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